ROCK HARD 136
SCOTT IM SCHWATZKASTEN
SCOTT IAN gehört zu den auffälligsten Persönlichkeiten der Metal-Szene und hat bei der Rock Hard-Leserschaft seit jeher einen Stein im Brett. Im vorliegenden Schwatzkasten beweist er einmal mehr, daß er nicht nur Köpfchen, sondern auch Humor hat.
Wo bist du aufgewachsen, und wo fühlst du dich zu Hause?
"Ich bin in Queens, New York City, aufgewachsen und habe dort bis 1986 gewohnt. Danach habe ich drei weitere Jahre in New York verbracht, bis ich 1989 nach Kalifornien gezogen bin. Momentan bin ich sozusagen homeless: Letzten Freitag habe ich mein Haus verkauft, und da ich die nächsten 18 Monate auf Tour sein werde, habe ich mir noch keine neue Wohnung gesucht."
Hältst du es als Künstler für wichtig, dich politisch zu äußern?
"Früher fand ich es bedeutend wichtiger als heute. Vor zehn Jahren habe ich in meinen Texten gegen alle möglichen Mißstände in der Welt wie beispielsweise Rassismus gewettert, und meine Einstellung zu solchen Problemen ist nach wie vor dieselbe, aber ich schreibe heute nicht mehr darüber. Ich sehe es einfach nicht mehr als meinen "Job" an, die Welt zu verändern."
Bist du für oder gegen die Legalisierung weicher Drogen?
"Da ich selbst trinke, bin ich natürlich dafür. Ich finde es sowieso falsch, den Leuten irgendwas zu verbieten. Wer Drogen nehmen will, soll das von mir aus tun - auch wenn ich persönlich nicht mal rauche. Ich bin allergisch gegen Marihuana, deshalb muß ich drauf verzichten, aber das heißt nicht, daß es mich stört, wenn andere kiffen. Wer seinen Körper vergiften will - mit was auch immer -, soll das tun. Mir ist es egal. Ich würde ja auch nicht auf das hören, was andere sagen."
Was ist die wichtigste Erfindung der Menschheit?
"Der Kühlschrank. Oder besser noch: das Klo!"
Hattest du jemals Idole?
"Oh ja! Gene Simmons zum Beispiel. Wir sind zwar inzwischen Freunde und treffen uns des öfteren, aber es ist immer noch ein erhebendes Gefühl für mich, neben ihm zu stehen. Ich denke immer noch: "Wow, das ist Gene Simmons!" Außerhalb der Musik würde ich Michael Jordan nennen. Oder auch Stephen King und Charles Bukowski."
Was würdest du tun, wenn du einen Tag lang unsichtbar wärst?
"Das verrate ich nicht, haha! Auf jeden Fall hätte ich viel Spaß... Vielleicht würde ich mich im Weißen Haus umsehen; mich würde mal interessieren, was Präsident Clinton so treibt, wenn er sich unbeobachtet fühlt. Oder ich würde die CIA-Akten durchstöbern: Gibt es Geheimprojekte wie "Area 51" wirklich? Gibt es Ufos? Was bequatschen die da so in ihren Geheimsitzungen? Das würde mich mindestens genauso interessieren wie die Umkleideräume unseres weiblichen Olympia-Teams."
Welches Spielzeug hast du als Junge am meisten geliebt?
"G.I. Joe, einen amerikanischen Spielzeugsoldaten. Mein jüngerer Bruder und ich haben damit im Keller Zweiter Weltkrieg gespielt: Ich war Amerika, er Deutschland - und er hat natürlich immer verloren."
Wie bist du erzogen worden?
"Völlig normal. Ich komme aus einer Mittelklasse-Familie. Mein Vater arbeitete, meine Mutter war Hausfrau. In den späten Siebzigern ließen sich meine Eltern scheiden. Mein Bruder und ich blieben bei meiner Mutter, aber unser Vater kam uns regelmäßig besuchen, so daß wir von beiden Elternteilen gleichermaßen erzogen wurden. Ich durfte mehr oder weniger tun, was ich wollte, solange meine Schulnoten gut waren - und das waren sie meistens."
Wie würdest du deine Kinder erziehen?
"Genauso, wie ich erzogen wurde. Es nützt nichts, den Kindern irgendwas zu verbieten, weil sie´s dann erst recht tun. Man muß sich eben ständig mit seinen Kindern beschäftigen und viel mit ihnen reden."
Für welches öffentliche Amt würdest du kandidieren, wenn du die Möglichkeit hättest?
"Überhaupt keins. Ich würde keine öffentliche Tätigkeit ausüben wollen, weil ich nicht scharf darauf bin, der Gesellschaft zu dienen. Das mag egoistisch sein, aber so ist es nun mal. Ich kümmere mich um meine Freunde; für alles andere fühle ich mich nicht berufen."
Warst du der typische Troublemaker in der Schule oder eher still und schüchtern?
"Ich hatte schon mit sieben oder acht lange Haare, während alle anderen ordentliche Kurzhaarfrisuren trugen, und war deshalb ein eher auffälliger Schüler. Mit 13 hatte ich alle möglichen Metal-Aufnäher auf meiner Jeansjacke und kaum noch was anderes als Musik im Kopf, aber ich war kein Troublemaker. Wir waren eine kleine Gruppe von Metallern, die von den anderen in Ruhe gelassen wurde. Meine Eltern waren zufrieden mit mir, weil ich gute Noten nach Hause brachte, und mit den Lehrern hatte ich ebenfalls kaum Probleme, obwohl mich außer der Musik nichts wirklich interessierte."
Wie stehst du zu der Darstellung von Gewalt auf Plattencovern und in Songtexten?
"Ist mir egal. Ich bin einer der größten Slayer-Fans überhaupt, habe aber noch nie jemandem was getan. Daher glaube ich nicht an den "gefährlichen" Einfluß von Songtexten oder ähnlichem. Das gleiche gilt für Bücher: Ich habe beispielsweise mit großem Interesse "American Psycho" gelesen, eines der brutalsten und schockierendsten Bücher, die ich kenne. Aber es spiegelt die Realität wider und hat deshalb seine Berechtigung, auch wenn es bei den meisten Menschen blankes Entsetzen auslöst. Die Grenze ist für mich das Gesetz: Wenn sich irgendwelche Black-Metaller in Norwegen gegenseitig umbringen, dann ist die Grenze wohl überschritten (lacht)..."
Kannst du dich an die schlechteste Show deines Lebens erinnern?
"Da fällt mir der Auftritt in Oslo auf der "Stomp"-Tour ein: Ich habe während der gesamten Karriere der Band kein lahmeres, müderes Publikum erlebt. Ich kann mir nicht erklären, warum, aber dieser Gig war sehr, sehr seltsam..."
Wie würdest du einem Außerirdischen die Vorzüge der Erde näherbringen?
"Ich würde ihn auf einen Berg stellen, ihm ein Snowboard unterschnallen und ihn runterstoßen. Wenn er das überlebt, zeige ich ihm New York City, Rom, Hawaii und Bali. Und zum Schluß setze ich mich mit ihm an den Strand und blicke aufs Meer. Wenn er Humor hat, zeige ich ihm außerdem noch all die übergewichtigen Amerikaner, die sich durch Disney World rollen."
Was würdest du tun, wenn du ohne Geld, Papiere und Sprachkenntnisse in einem fremden Land gestrandet wärst?
"Ich hätte keine Probleme, denn man würde mich natürlich sofort als Scott Ian von ANTHRAX erkennen! Aber Spaß beiseite: Diese Situation ist mir alles andere als fremd, denn ich verlaufe mich ständig auf Tour in irgendwelchen fremden Städten. Wenn wir irgendwo einen Day-off haben, laufe ich meist einfach los und erkunde die Gegend um unser Hotel herum - und wenn ich nicht mehr laufen kann, setze ich mich ins nächste Taxi und fahre wieder zurück. Das ist die beste Art, etwas von der Atmosphäre fremder Städte mitzubekommen."
Welchen Spruch würdest du für die nächste ANTHRAX-Anzeige wählen?
"Here´s the band that´s been fucking your mother for 14 years!"
Was würdest du sagen, wenn dich jemand in der U-Bahn mit Bill Clinton verwechselt und um ein Autogramm bittet?
"Ich würde ihn für bekloppt erklären - aber ich würde unterschreiben."
Sind deine Eltern stolz auf dich?
"Ja. Meine Mutter war zwar sehr enttäuscht, als ich das College verließ, um professionell Musik zu machen, aber heute ist sie stolz auf mich. Wenn man bedenkt, wie viele Bands auf der Strecke bleiben, ist ihre anfängliche Sorge ja auch verständlich. Als wir aber als Headliner im Madison Square Garden in New York spielten, was das Größte überhaupt für eine Band aus New York ist, war sie überzeugt - obwohl sie mich noch fünf Minuten vor der Show in die Kabine zurückgeschickt hat, weil sie ihre Jacke dort vergessen hatte. Manches ändert sich halt nie: Ich habe den größten Auftritt meines Lebens und muß in fünf Minuten auf die Bühne - und meine Mutter brüllt hinter mir her und will, daß ich ihre Jacke hole..."
Welchen Song würdest du auf deiner eigenen Beerdigung spielen?
"´My Way´ von Frank Sinatra - und danach ´March Of The S.O.D.´ von S.O.D.!"
Welche drei Alben würdest du auf eine einsame Insel mitnehmen?
"Kann ich 100 Alben nennen? Nein, nur drei? Hm... Kiss - "Alive", Sabbath - "Paranoid" und Slayer - "Reign In Blood"."
Mit wem würdest du gerne mal in einem Aufzug steckenbleiben?
"Mit der Schauspielerin Angelina Jolie, der schönsten Frau auf diesem Planeten."
Was hältst du für deine größte Schwäche?
"Ich habe ein Talent dafür, Beziehungen zu Frauen immer dann zu zerstören, wenn eigentlich alles perfekt läuft. Ich weiß auch nicht, warum, aber das passiert mir immer wieder."
Und deine größte Stärke?
"Ich glaube, ich kann gut zuhören und bin ein guter Freund. Ich begegne Menschen grundsätzlich mit Respekt - solange sie mir keinen Grund geben, sie anders zu behandeln."
Was war die größte Dummheit deines Lebens?
"Letzten Sommer ins Trainings-Camp der Yankees einzubrechen (s.a. Anthrax-Story in RH 9/98 - Red.)..."
Und die wichtigste Entscheidung deines Lebens?
"Das College zu verlassen und die Band zu gründen."
Gibt es einen Tag in deinem Leben, den du gerne noch einmal erleben würdest?
"Meinen 18. Geburtstag. Ich hatte eine Riesenparty am 31. Dezember, also New Year´s Eve, organisiert und landete am nächsten Tag mit einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus. Danach habe ich fünf Jahre lang keinen Tropfen mehr angerührt..."
Was würdest du gerne im nächsten Leben sein?
"Eine meiner Katzen. Die haben das beste Leben, das man sich vorstellen kann."
Götz Kühnemund
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